Ausführliche Details
Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung
Einleitung
Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung gehören zu den arbeitsmedizinisch besonders sensiblen Einsatzbereichen, da Beschäftigte hierbei einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an infektiösen Erkrankungen zu erkranken. Gemäß der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und den Richtlinien der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ist eine umfassende und regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorge vorgeschrieben. Diese Vorsorge zielt darauf ab, das Risiko einer Ansteckung zu minimieren, die Gesundheit der Beschäftigten langfristig zu sichern und Übertragungen auf Dritte zu verhindern.
1. Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereich
Die Vorschriften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Infektionsgefährdung ergeben sich aus der ArbMedVV sowie spezifischen Regelwerken der DGUV. Die Vorsorgepflicht ist in der ArbMedVV verankert, welche für Tätigkeiten mit Infektionsrisiko eine Pflichtvorsorge und unter bestimmten Umständen eine Angebots- und Wunschvorsorge vorsieht. Die Durchführung der Vorsorge erfolgt gemäß den Anforderungen der Biostoffverordnung (BioStoffV) und orientiert sich an der aktuellen TRBA 250 (Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe), welche spezielle Infektionsrisiken und geeignete Schutzmaßnahmen beschreibt.
- Pflichtvorsorge: Die Pflichtvorsorge ist für alle Beschäftigten vorgeschrieben, die regelmäßig Kontakt zu infektiösen Materialien oder Krankheitserregern der Risikogruppen 2 bis 4 haben, insbesondere in medizinischen Einrichtungen, Laboren oder Abwasseranlagen.
- Angebotsvorsorge: Wird Beschäftigten angeboten, wenn der Infektionskontakt nicht regelmäßig erfolgt oder eine Infektionsgefährdung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, z. B. in bestimmten Pflegeberufen oder Reinigungsarbeiten.
- Wunschvorsorge: Auf Wunsch der versicherten Person ist eine Vorsorge möglich, wenn das Risiko als gering eingeschätzt wird und der Arbeitgeber keine Pflichtvorsorge angeordnet hat.
2. Typische Arbeitsbereiche und Infektionsrisiken
Die infektionsgefährdenden Tätigkeiten umfassen eine Vielzahl von Einsatzfeldern, darunter insbesondere:
- Medizin und Pflege: Tätigkeiten in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, bei denen Beschäftigte in direktem Kontakt mit Patienten oder infektiösem Material stehen.
- Labore und Forschungseinrichtungen: Arbeiten mit biologischen Proben, Bakterienkulturen oder viralen Präparaten in mikrobiologischen und virologischen Labors.
- Abwasser- und Entsorgungswirtschaft: Arbeiten in Abwasseraufbereitungsanlagen, Mülldeponien oder bei der Abfallverwertung, bei denen Erreger wie Hepatitisviren oder Leptospiren vorkommen können.
- Landwirtschaft und Tierhaltung: Tätigkeiten mit Kontakt zu Tieren und tierischen Produkten, insbesondere bei der Schlachtung oder Verarbeitung von Tieren, die Träger zoonotischer Erreger wie Salmonellen oder Toxoplasma gondii sein können.
3. Ziele der Arbeitsmedizinischen Vorsorge
Die arbeitsmedizinische Vorsorge für Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung verfolgt mehrere Schutzziele:
- Sicherstellung der gesundheitlichen Eignung: Ermittlung, ob Beschäftigte gesundheitlich in der Lage sind, Tätigkeiten mit Infektionsgefahr sicher und ohne Eigen- oder Fremdgefährdung auszuführen.
- Früherkennung von Infektionen und Schutzmaßnahmen: Frühzeitiges Erkennen einer Ansteckung und Einleitung geeigneter Schutzmaßnahmen, um die Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
- Präventive Beratung und Aufklärung: Beratung der Beschäftigten zu persönlichem Gesundheitsschutz und zu Verhaltensweisen, die das Infektionsrisiko verringern.
- Dokumentation und Nachverfolgung: Systematische Dokumentation der Gesundheitsvorsorge und des Immunisierungsstatus der Beschäftigten, insbesondere hinsichtlich spezifischer Schutzimpfungen.
4. Ablauf der Arbeitsmedizinischen Vorsorge
Die arbeitsmedizinische Vorsorge für Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung wird in einem strukturierten Ablauf durchgeführt, der folgende Elemente umfasst:
4.1 Eingangsberatung und Anamnese
Die Vorsorge beginnt mit einer Eingangsberatung und Anamneseerhebung, um eine umfassende Einschätzung der gesundheitlichen Vorgeschichte und der individuellen Anfälligkeit für Infektionen zu erhalten. Hierbei werden insbesondere folgende Aspekte erfasst:
- Gesundheitsstatus und Vorerkrankungen: Abklärung von gesundheitlichen Einschränkungen oder chronischen Erkrankungen, die das Infektionsrisiko erhöhen könnten.
- Immunstatus: Überprüfung des Impfstatus, z. B. gegen Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln und Influenza.
- Risikofaktoren: Identifikation individueller Risikofaktoren wie Immunsuppression oder Medikamenteneinnahme, die das Risiko für eine Ansteckung erhöhen könnten.
- Lebensgewohnheiten: Fragen zu persönlichen Gewohnheiten, wie Rauchen oder Alkoholkonsum, die das Immunsystem beeinflussen können.
4.2 Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung dient der umfassenden Beurteilung der allgemeinen körperlichen und immunologischen Verfassung:
- Untersuchung des Immunsystems: Untersuchung auf Anzeichen einer Immunschwäche, die das Risiko einer Ansteckung erhöhen könnte.
- Haut- und Schleimhautstatus: Untersuchung auf Hautverletzungen, da offene Wunden Eintrittspforten für Infektionserreger darstellen können.
- Allgemeine Gesundheitsprüfung: Überprüfung des Herz-Kreislauf-Systems, der Lunge und anderer Organsysteme, um sicherzustellen, dass der Beschäftigte für die anstehenden Tätigkeiten in guter gesundheitlicher Verfassung ist.
4.3 Impfungen und Immunisierung
Für Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung ist der Immunstatus von besonderer Bedeutung. Die ArbMedVV und die DGUV empfehlen Impfungen gegen spezifische Erreger, die typischerweise in den jeweiligen Arbeitsbereichen vorkommen.
Empfohlene Impfungen umfassen unter anderem:
- Hepatitis B: Insbesondere für Beschäftigte im medizinischen Bereich, die regelmäßig Kontakt mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten haben.
- Tetanus und Diphtherie: Für alle Beschäftigten, die Verletzungen ausgesetzt sein könnten, insbesondere in der Abwasserwirtschaft und Landwirtschaft.
- Influenza: Regelmäßige Grippeimpfung für Beschäftigte im Gesundheitswesen zur Reduzierung des Übertragungsrisikos.
- FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis): Für Arbeiten im Freien, insbesondere in FSME-Risikogebieten.
4.4 Hygieneberatung und Verhaltensrichtlinien
Die arbeitsmedizinische Vorsorge umfasst auch eine umfassende Beratung zu Hygienemaßnahmen und Verhaltensrichtlinien. Diese Beratung soll das Infektionsrisiko weiter minimieren und das Bewusstsein der Beschäftigten für die Bedeutung von Hygienestandards stärken:
- Hygienemaßnahmen: Anleitung zur richtigen Händehygiene, zum Einsatz von Desinfektionsmitteln und zur hygienischen Entsorgung kontaminierter Materialien.
- Nutzung persönlicher Schutzausrüstung (PSA): Hinweise zur Verwendung und korrekten Handhabung von PSA, wie Handschuhen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken, um den Kontakt mit infektiösen Materialien zu minimieren.
- Verhaltensvorgaben bei Kontakt mit infektiösen Materialien: Vermeidung direkter Hautkontakte und Schutz vor Schnitt- und Stichverletzungen, die als Eintrittspforten für Erreger dienen.
5. Besondere Gesundheitsrisiken und Präventionsmaßnahmen
Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung bringen spezifische Gesundheitsrisiken mit sich, die besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordern:
- Ansteckungsgefahr durch Blutkontakt: Tätigkeiten im medizinischen Bereich oder bei der Entsorgung medizinischer Abfälle erfordern spezielle Maßnahmen zur Vermeidung von Blutkontakten, wie den Einsatz schützender Handschuhe und das Vermeiden von Nadelstichverletzungen.
- Infektionen durch tierische Überträger: Beschäftigte in der Landwirtschaft oder Tierhaltung können durch zoonotische Erreger gefährdet sein. Schutzmaßnahmen umfassen Impfungen sowie das Tragen von Atemschutzmasken und Schutzanzügen.
- Exposition gegenüber luftübertragbaren Erregern: Arbeiten in Laboren oder medizinischen Einrichtungen bergen ein Risiko durch Tröpfcheninfektion. Hier sind strikte Hygienemaßnahmen und der Einsatz von Atemschutz erforderlich.
6. Nachsorgeuntersuchungen und Fristen
Die Nachsorgeuntersuchungen sind ein wichtiger Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge und dienen der kontinuierlichen Überwachung der Gesundheit der Beschäftigten. Die Fristen für Nachsorgeuntersuchungen richten sich nach dem Gefährdungsgrad:
- Regelmäßige Nachuntersuchungen: Für Beschäftigte, die regelmäßig mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppen 3 oder 4 arbeiten, sind jährliche Nachsorgeuntersuchungen vorgeschrieben.
- Anlassbezogene Untersuchungen: Nach Stich- oder Schnittverletzungen oder nach Kontakt mit infektiösem Material sollten unverzüglich medizinische Untersuchungen und ggf. eine Postexpositionsprophylaxe erfolgen.
7. Dokumentation und Bescheinigung
Nach jeder Vorsorgeuntersuchung erhält die versicherte Person eine Bescheinigung über das Ergebnis der Untersuchung und den nächsten Vorsorgetermin. Diese Bescheinigung dient dem Nachweis der erfolgten Vorsorge und der Planung zukünftiger Untersuchungen.
Fazit
Die arbeitsmedizinische Vorsorge bei Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung ist unverzichtbar, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen und Infektionsausbrüche am Arbeitsplatz zu verhindern. Die ArbMedVV und die DGUV bieten eine strukturierte Grundlage für die Vorsorge, die nicht nur das Risiko einer Ansteckung minimiert, sondern auch das Bewusstsein der Beschäftigten für die Bedeutung von Präventionsmaßnahmen stärkt. Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vorsorgemaßnahmen trägt dazu bei, dass Arbeitgeber und Beschäftigte optimal gegen die Infektionsrisiken in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen geschützt sind.