Autoren

Gefährdungsbeurteilung bei den freiwilligen Feuerwehren (1.Teil)

Vorwort

Seit 1996 verankert das Arbeitsschutzgesetz die Verpflichtung für den Arbeitgeber, eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen vorzunehmen und diese zu dokumentieren (§§ 5, 6 Arb- SchG). Die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherungsträger nehmen diese Vorgabe - z. B. in §§ 2, 3 der UVV DGUV Vorschrift 1 - für ihre Versicherten ebenfalls auf.

Bei den haupt- und ehrenamtlichen Feuerwehren bestand lange Zeit die Argumentation, dass keine Gefährdungsbeurteilung erforderlich ist, da Feuerwehren über Feuerwehrdienstvorschriften verfügen, die eine dokumentierte Gefährdungsbeurteilung entbehrlich machen. Darüber hinaus wurde der Anwendungsbereich der Arbeitsschutzgesetzgebung für die Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr verneint.

Mittlerweile besteht Einigkeit, dass für haupt- und ehrenamtliche Feuerwehrangehörige die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen für die Bereiche des Einsatz- und Übungsdienstes, die nicht von Feuerwehrdienstvorschriften erfasst sind, erforderlich ist. Gleichzeitig besteht die Verpflichtung für alle Bereiche, die nicht zum Einsatz- und Übungsbetrieb gehören, wie z.B. Betrieb und Unterhaltung von Werkstätten oder der rückwärtige Dienstbetrieb. Im Einsatzdienst muss die Feuerwehr in Situationen tätig werden, in denen Schutzvorschriften nicht eingehalten wurden, versagt haben oder nicht (mehr) angewendet werden können. Dementsprechend muss es Aufgabe einer Gefährdungsbeurteilung für den Tätigkeitsbereich der Feuerwehr sein, präventiv größtmöglichen Schutz bei bestmöglicher Handlungsfähigkeit zu gewährleisten.

Ein entscheidendes Kriterium dabei ist die Ausbildung und Sensibilisierung von Führungs- und Einsatzkräften. Die Gefährdungsbeurteilung hat das Ziel den Einsatzerfolg bei größtmöglichem Schutz von Betroffenen und Einsatzkräften zu erreichen.

Allgemein
Im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit sind die Angehörigen und / oder die Mitarbeiter einer kommunalen Feuerwehr einer Vielzahl von Gefahren in ihrem Arbeitsumfeld ausgesetzt. Der Begriff „Unfallverhütung“ ist durchaus bekannt. Über die eigentliche Unfallverhütung geht der Arbeitsschutz hinaus und berücksichtigt u. a. die Gesundheitsgefahren bei der Arbeit.

Der oder die Bürgermeister/in trägt in seiner/ihrer Funktion als kommunaler Arbeitgeber die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Feuerwehrangehörigen. Zur Realisierung der Aufgaben im Arbeitsschutz bedient sich der oder die Bürgermeister/in der kommunalen Hierarchieebenen. Im Zuge der Aufgabendelegierung wird in der täglichen Praxis dem Leiter der Feuerwehr (Stadtwehrführer) die Verpflichtung zur Umsetzung dieser Aufgaben im Arbeitsschutz übertragen („Pflichtendelegation“, § 13 DGUV Vorschrift 1).

Die rechtlichen Vorgaben im Arbeitsschutz sind eher abstrakt formuliert und erlauben daher auch eine eigenverantwortliche, praxisnahe Ausführung und Festlegung von Maßnahmen. Das Hilfsmittel, um eigenverantwortlich geeignete Maßnahmen für die Sicherheit und die Gesundheit der Feuerwehrangehörigen festzulegen, ist die Gefährdungsbeurteilung.

Die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ist ein erster Schritt. Die aus ihr abgeleiteten Erfordernisse von Unterweisungen, Erarbeitung von Betriebsanweisungen und Schaffung der dafür erforderlichen Organisationsstrukturen sind ebenfalls anzugehen und in einem kontinuierlichen Überarbeitung- und Anwendungsprozess zu leben.

Rechtsgrundlagen
Im Arbeitsschutz gilt in Deutschland ein duales Arbeitsschutzsystem. Das bedeutet, dass die gesetzlichen Unfallversicherungsträger neben den gesetzgebenden Organen das autonome Recht haben, eigene Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen. Für die Feuerwehren bedeutet das, dass sich die Vorgaben der Unfallversicherungsträger auch an die ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte richten. Gemäß § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat der Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnah- men zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Nach § 5 ArbSchG hat er zudem die Pflicht, die sich für die Beschäftigten bei der Arbeit ergebenden Gefährdungen zu beurteilen. Für die ehrenamtlich tätigen Feuerwehrkräfte finden die gesetzlichen Vorgaben im Arbeits- schutz keine primäre Anwendung. Hier haben die Vorgaben der Unfallversicherungsträger eine besondere Bedeutung. Aus § 3 der Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ergibt sich auch für den Bereich der Freiwilligen Feuerwehren die Notwendigkeit, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen.

Einsatzdienst / Dienstbetrieb
Einsatzdienst:
An den Einsatzstellen treffen die Feuerwehren auf die unterschiedlichsten Einsatzsituationen, die sich innerhalb des Einsatzes verändern oder verlagern können. Während des Einsatzes können Gefahren entstehen aber auch wegfallen bzw. bestehende Gefahren sich ausbreiten oder anderweitig verändern.

Das Einsatzgeschehen bringt mit sich, dass räumlich und zeitlich dynamische Gefahrensituationen vor Ort beurteilt und die Führungskräfte sehr kurzfristig Entscheidungen treffen müs- sen, die sich im Vorfeld nicht grundsätzlich im Rahmen von Gefährdungsbeurteilungen erfassen lassen. Das Vorgehen und Herbeiführen von Entscheidungen im Sinn der FwDV 100 („Führung und Leitung im Einsatz“) ist einer Gefährdungsbeurteilung gleichwertig.

Gleichwertige Maßnahmen (nach § 3 Abs. 5 Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“, DGUV Vorschrift 1) sind solche, die den Zielen und Grundsätzen einer vollständigen Gefährdungsbeurteilung (Gefährdungsermittlung, Risikobeurteilung, Maßnahmen, Dokumentation und Überprüfung der Wirksamkeit) entsprechen [DGUV Information 205-021].

Der Führungsvorgang entspricht im Wesentlichen einer Gefährdungsbeurteilung.

Dienstbetrieb:
Der Übungs- und Dienstbetrieb der Feuerwehr unterliegt wie auch die gewerblichen Arbeitsbereiche der Notwendigkeit zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Das gilt besonders für die Arbeitsvorgänge, Arbeitsabläufe oder Arbeitsmittel, für die keine Vorgaben vorhanden sind. Das bedeutet, dass für alle Tätigkeiten, Situationen oder Geräte der Feuerwehr, die in den Feuerwehr-Dienstvorschriften oder im Regelwerk der Unfallversicherungsträger nicht gefasst sind, Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden müssen.

Spezielle Hinweise zur tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung
Die Feuerwehr hat vielfältigste Einsätze mit unterschiedlichen Bedingungen, bei denen die eingesetzten Kräfte auf unterschiedlichsten Wegen und unter wechselnden Voraussetzungen tätig werden müssen. Bei der tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung wird die Gefährdung von Einsatzkräften beurteilt, die der gleichen Tätigkeit nachgehen. Dies können auch Einsatzkräfte sein die in verschiedenen Bereichen tätig werden, in dem sie gleichen Gefährdungen ausgesetzt sind.

Funktion und Eignung - Grundsätze
DGUV Vorschrift 49 - §6 Persönliche Anforderungen
(1) Die Unternehmerin oder der Unternehmer darf Feuerwehrangehörige nur für Tätigkeiten einsetzen, für die sie körperlich und geistig geeignet sowie fachlich befähigt sind. Bestehen Anhaltspunkte, aus denen sich Zweifel an der körperlichen oder geistigen Eignung von Feuerwehrangehörigen für die vorgesehene Tätigkeit ergeben, so hat sich die Unternehmerin bzw. der Unternehmer die Eignung ärztlich bestätigen zu lassen. Bei Anhaltspunkten für Zweifeln an der körperlichen bzw. geistigen Eignung hat eine Untersuchung durch eine geeignete Ärztin bzw. einen geeigneten Arzt zu erfolgen. Unter Berücksichtigung des Untersuchungsergebnisses können dem Feuerwehrangehörigen individuell Aufgaben, Tätigkeiten und Funktionen zugewiesen werden. Zweifel können auch durch einen Arzt oder den Betroffenen selbst geäußert werden und als Anlass für eine Untersuchung genommen werden.

Bei den Untersuchungen handelt es sich um Eignungsuntersuchungen nach §7 der DGUV Vorschrift 49.

Hier werden auch die Anforderungen an die untersuchenden Ärzte geregelt. Anforderungen an an geeignete Ärztinnen bzw. Ärzte:

  • Müssen mit den Aufgaben der Feuerwehr vertraut sein und die besonderen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeiten kennen, die eine Eignungsuntersuchung erforderlich machen.
  • Müssen den allgemein anerkannten Stand der Medizin kennen und diesen bei Eignungsfeststellungen anwenden.
  • Müssen die für die Untersuchung notwendige apparative Ausstattung vorhalten oder auf diese Zugriff haben.
  • Für Teiluntersuchungen wie z. B. Hörtest, Laboruntersuchungen können weitere geeignete Einrichtungen beauftragt werden.
  • Müssen fachlich in der Lage sein, aus den Untersuchungsergebnissen die Eignung festzustellen.
  • Eine ausreichende Qualifikation ist z. B. anzunehmen bei Ärzten oder Ärztinnen, die berechtigt sind, die Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ zu führen.
  • Bei der Bewertung sind die gesetzlichen Vorgaben wie z.B. im Mutterschutz- oder Jugendschutzgesetz sowie die Feuerwehrdienstvorschriften (z.B. FwDV 7 „Atemschutz“) vorrangig zu beachten.


Übersicht der Funktionen / Tätigkeiten
Einsatzkraft (allgemein)
Zu der Einsatzkraft (allgemein) gehört der Truppmann/die Truppfrau der/die im Angriffs­, Wasser­ oder Schlauchtrupp eingesetzt werden, der Truppführer/die Truppführerin, der Gruppenführer/die Gruppenführerin sowie der Zugführer/die Zugführerin. Sämtliche administrative Tätigkeiten (z.B. Büro- und Bildschirmarbeiten) sind bei der Einsatzkraft inkludiert.

Atemschutzgeräteträger/-trägerin
Der Atemschutzgeräteträger/die Atemschutzgeräteträgerin übernimmt dieselben Aufgaben, wie der Truppmann/die Truppfrau und der Truppführer/die Truppführerin. Jedoch nutzt er/sie für seine/ ihre Arbeit zusätzlich ein Atemschutzgerät.

Träger/Trägerin von CSA
Der Träger/die Trägerin von CSA übernimmt Aufgaben im Bereich des Gefahrguteinsatzes. Die Art der Aufgabe sowie der Umfang der Ausrüstung bestimmen die Belastungen.

Maschinist/Maschinistin - Fahrzeugführer/Fahrzeugführerin
Der Maschinist/die Maschinistin ist Fahrer und bedient die Feuerlöschkreiselpumpe sowie die im Löschfahrzeug eingebauten Aggregate. Er/sie sichert die Einsatzstelle mit Warnblinkanlage, Fahrlicht und blauem Blinklicht. Er/sie unterstützt bei der Entnahme der Geräte, ist für die ordnungsgemäße Verladung der Geräte verantwortlich und meldet dem Einsatzführer Mängel an den Einsatzmitteln. Er/sie unterstützt beim Aufbau der Wasserversorgung und auf Weisung bei der Atemschutzüberwachung.

Bootsführer/Bootsführerin
Die Aufgabe des Bootsführers/der Bootsführerin ist das Fahren und Manövrieren von Feuer­wehrbooten.

Gerätewart/Gerätewartin
Aufgabe des Gerätewarts/der Gerätewartin ist es, die feuerwehrtechnischen Geräte zu warten, zu pflegen und instand zu setzen.

Autor: Mike Maiwald (Fachkraft für Arbeitssicherheit)
Artikeldatum: 02.07.2024

DGUV Links

Arbeitsmedizin

Sonstige Links